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75 Jahre Bundesfinanzhof

Rede
Eva Schmierer

Rede der Staatssekretärin im Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz, Eva Schmierer, zu 75 Jahren Bundesfinanzhof am 26. Juni 2025 in München

Schön wieder hier zu sein!

Ich freue mich, dieses besondere Jubiläum – 75 Jahre BFH – mit Ihnen zu feiern und manch bekanntes Gesicht im Auditorium wiederzuentdecken.

Ich überbringe Ihnen herzliche Glückwünsche der Ministerin, die zu ihrem großen Bedauern heute nicht hier sein kann. Im Bundestag ist Sitzungswoche und das Gesetz zur Verlängerung der Mietpreisbremse steht in 2. und 3. Lesung an. Es ist das erste Gesetz, das sie als Bundesjustizministerin eingebracht hat, und deshalb hoffe ich auf Ihr Verständnis, dass sie im Plenum anwesend sein muss. Umso mehr freue ich mich, dass ich sie heute hier vertreten kann.

Frau Ministerin Dr. Hubig – so viel kann ich aber versprechen – wird es sich nicht nehmen lassen, so bald wie möglich zu einem Antrittsbesuch auch hierher zu kommen. Die Terminabstimmung läuft, wir sind guter Hoffnung, dass es noch im Juli klappt.

Meine Damen und Herren, nicht nur für die neue Ministerin bedeutet der Regierungswechsel eine Rückkehr ins BMJV – auch für mich. Aus meiner langjährigen Zeit als Zentralabteilungsleiterin im BMJV ist mir der BFH sehr vertraut. Ich erinnere mich gern an die gemeinsamen Themen – schöne, aber auch manch schwieriges. Und auch uns beide, lieber Herr Thesling, verbindet diese Zeit – auch wenn Sie da noch mein Amtskollege im nordrhein-westfälischen Justizministerium waren. Ich freue mich sehr auf die Fortsetzung der Zusammenarbeit mit Ihnen und der gesamten Belegschaft des Gerichts!

Meine Damen und Herren,

mit den Glückwünschen der Ministerin überbringe ich Ihnen vor allem den Dank für Ihre wichtige und herausragende Arbeit.

Dass Sie als oberste Finanzrichterinnen und -richter Ihre Arbeit in diesem wunderbaren, geschichtsträchtigen Gebäude erledigen dürfen, empfinden Sie selbst sicher als einen großen Vorzug. Und der Himmel ist – wie wir alle wissen – in München immer etwas blauer als sonst irgendwo in der Republik – weiß-blau eben. Oder um es mit Eugen Roth, dem großen Münchener Lyriker zu sagen:

 „Vom Ernst des Lebens halb verschont

Ist der schon,

Der in München wohnt.“

 Meine sehr geehrten Damen und Herren,

wenn wir heute 75 Jahre BFH feiern, dann gehört zur Vollständigkeit, dass der 1. September 1950 schon der zweite Geburtstag dieses Gerichtshofes war. Sein erster war datiert auf den 1. Oktober 1918 – an jenem Tag nahm der Reichsfinanzhof hier in München, wenn auch noch nicht sofort in diesem Gebäude, seine Arbeit auf.

Der erste Präsident Gustav Jahn schrieb an diesem Tag eigenhändig eine Pressemitteilung, in der er bündig zusammenfasste, was er gerade bei einer ersten Zusammenkunft vorgetragen habe:

 „Der Reichsfinanzhof verdanke seine Entstehung der allgemeinen Überzeugung seiner Unentbehrlichkeit; die große Menge der notwendig gewordenen Reichsabgaben und ihre Höhe zwinge zu einer Einrichtung, die eine gleichmäßige Behandlung aller Steuerpflichtigen im ganzen Reiche verbürge, da nichts mehr zur Steuerverdrossenheit führe als der Glaube, stärker in Anspruch genommen zu sein als andere. Aufgabe des Reichsfinanzhofs sei es, einen derartigen Glauben nicht aufkommen zu lassen.“

Knapp und ebenso zeit- wie schnörkellos formuliert! Mit diesem Arbeitsauftrag Ihres ersten Präsidenten könnte ich gleich schließen und ein „Gelungen und Weiter so!“ sagen. Aber ein bisschen ausholen will ich angesichts des Jubiläums dann doch.

Sie, die Belegschaft des BFH, stehen exemplarisch für den Rechtsstaat. Egal, ob als Richterin oder Richter, als Geschäftsstellenmitarbeiterin oder als Fahrer. Sie alle tragen – jede und jeder an ihrem oder seinem Platz – dazu bei, das Versprechen unserer Verfassung zu erfüllen: Nämlich, dass man zu seinem Recht kommt.

Die Finanzgerichtsbarkeit im Allgemeinen und der Bundesfinanzhof im Besonderen tragen dazu bei, dass dieses Versprechen eingelöst wird.

Es ist dabei gut für die Unabhängigkeit dieses Gerichtshofs, dass er – anders als zu Beginn, als er zum Geschäftsbereich des BMF gehörte – seit 1969 zum Geschäftsbereich des BMJ gehört. Sie sind eben kein verlängerter Arm – Sie sind die Kontrolle der Finanzverwaltung.

Dass der Rechtsstaat überzeugt – das ist zu jeder Zeit wesentlich für das Gelingen unserer freiheitlichen Demokratie. Mir scheint, es ist heute wichtiger denn je.

Das Recht und insbesondere die unabhängige Justiz steht unter Druck, jedem von uns fallen dazu Beispiele ein, innerhalb und außerhalb Europas. Aber eben nicht nur im Ausland, sondern inzwischen auch bei uns.

Auch bei uns – man muss es beklagen – sind heute Gerichte, Richterinnen und Richter hasserfüllter Kritik und Drohungen ausgesetzt.

Auch bei uns werden inzwischen Gerichtsurteile unter Berufung auf einen vermeintlichen Volkswillen für illegitim erklärt und Richter und ihre Familien mit dem Tode bedroht, wie jüngst nach einer Entscheidung des VG Berlin geschehen. Das ist inakzeptabel. Ich kann Ihnen versichern, dass wir das uns Mögliche tun werden, Sie zu verteidigen. Wir stehen vor und hinter Ihnen, wo immer Sie uns brauchen. Das haben die Justizministerinnen und -minister der Länder und die Bundesjustizministerin Anfang dieses Monats in einer gemeinsamen Erklärung aus Anlass der Jusitzministerkonferenz bekräftigt.

Rechtsstaatlichkeit zu leben bedeutet, geltendes Recht einzuhalten und Entscheidungen der Gerichte zu respektieren.

Denn – auch das muss ganz klar sein: Recht ist nicht nur dann zu beachten, wenn es einem gefällt.

Nun kann man Vertrauen in den Rechtsstaat nicht herbeireden oder herbeifordern. Der Rechtsstaat muss sich dieses Vertrauen jeden Tag verdienen.

Sie hier am Bundesfinanzhof helfen mit jeder Verhandlung, mit jedem Nachdenken und Abwägen, mit jeder sorgfältig begründeten Entscheidung, dass dieses Vertrauen stark bleibt.

Sie stehen mit ein für die Freiheit und das Recht jedes Einzelnen gegenüber dem Staat. Sie stehen bereit zu prüfen, ob auch der Staat das Recht gegenüber seinen Bürgerinnen und Bürgern einhält. Sie schützen vor rechtswidrigen Belastungen und tragen mit dazu bei, dass staatliche Maßnahmen akzeptiert bleiben.

So will es zum Beispiel nicht einfach nur entschieden – sondern auch gut begründet sein, warum es nicht sachgerecht ist, wenn der Burger im Spar-Menü bei der Ermittlung der Umsatzsteuerbemessungsgrundlage mit einem höheren Preis angesetzt wird als der einzeln verkaufte Burger.

Mit diesem jüngeren Nachweis Ihres Scharfsinns will ich auf einen wichtigen Punkt hinaus: Sie arbeiten nah an der alltäglichen Lebenswirklichkeit der Bürgerinnen und Bürger.

So hatten Sie jüngst zu entscheiden,ob die Erteilung von Reitunterricht als Freizeitgestaltung von der Umsatzsteuer befreit ist.

Sie entscheiden darüber, ob der Mitgliedsbeitrag für ein Fitnessstudio zur Teilnahme an einem ärztlich verordneten Kurs als außergewöhnliche Belastung zu berücksichtigen ist.

Oder ob Kinderbetreuungskosten für das eigene, aber nicht zum eigenen Haushalt gehörende Kind als Sonderausgaben geltend gemacht werden können.

Ich will nicht verschweigen, dass Ihre Antwort auf diese drei Fragen jeweils ein „Nein“ war. Der Eindruck, der so entstehen mag, ist gleichwohl falsch: In fast der Hälfte der Fälle haben Sie 2024 in den wichtigen Grundsatzverfahren zugunsten der Steuerpflichtigen entschieden!

Was Sie auf diese Weise für den Rechtsstaat leisten, ist auch deshalb von herausragender Bedeutung, weil es um die Rechtmäßigkeit hoheitlicher Eingriffe in die Freiheitssphäre der Bürgerinnen und Bürger geht.

Man kann Ihnen also nicht genug danken für die Arbeit am Rechtsstaat, die Sie tun, meine Damen und Herren!

Mein Dank gilt Ihnen auch für einen weiteren Umstand, der zwar keine so große Breitenwirkung wie Ihre Rechtsprechung hat, aber Vorbildwirkung: die Konsequenz, mit der Sie hier die Möglichkeiten der Digitalisierung für Ihre Arbeit fruchtbar machen.

Sie waren das erste unter den Gerichten des Bundes, das in allen Senaten die Gerichtsakten ausschließlich elektronisch führt – seit dem 1. Oktober 2022 schon; Jahre vor dem eigentlichen Stichtag.

Das bleibt ein großer Erfolg, auf den Sie stolz sein können.

Sie arbeiten längst weitestgehend digital. Ihre Sitzungszimmer sind mit entsprechender Technik ausgestattet – die auch genutzt wird. Wie ich höre, ist heute bei vielen Verhandlungen mindestens eine Partei digital zugeschaltet.

Sie sind also schon sehr weit im Vergleich der Gerichte – und wir tun, was wir können, um die Digitalisierung in der Justiz insgesamt weiter voranzutreiben.

Im Rahmen der Digitalisierungsinitiative für die Justiz finanziert der Bund Digitalisierungsvorhaben der Länder und führt eigene durch, die auch den Ländern zugutekommen. Dieses Engagement wollen wir mit einem neuen Pakt für den Rechtsstaat mit den Ländern fortsetzen.

Die Anstrengungen des Bundes in diesem Bereich sind vielgestaltig.

Wir arbeiten an Projekten, die für Bürgerinnen und Bürger den Zugang zum Recht verbessern sollen: die digitale Rechtsantragstelle oder das zivilgerichtliche Online-Verfahren, um nur zwei Beispiele zu nennen.

Zur Entlastung der Justizbeschäftigten finanzieren wir insbesondere Vorhaben der Länder zum Einsatz von KI-Systemen in der Justiz: von der Automatisierung von Routineaufgaben der Serviceeinheiten bis hin zur Unterstützung richterlicher Tätigkeiten und Entscheidungsprozesse, etwa durch die automatisierte Auswertung und Aufbereitung großer Datenmengen, nicht zuletzt zur Bewältigung von Massenverfahren.

Um KI-Anwendungen in der Fläche zum Einsatz zu bringen, arbeiten wir an einer KI-Plattform für die Justiz: Für KI-Systeme soll das Prinzip „Eines für Alle“ gelten. KI-Systeme sollen nach Möglichkeit einmal entwickelt oder beschafft und im Anschluss ohne größere Anpassungen von allen Ländern genutzt werden können.

Mit der bundeseinheitlichen Justizcloud schließlich schaffen wir eine moderne Infrastruktur für die Justiz, die die technische Grundlage für all die genannten Entwicklungen bieten soll. Wir werden sie in den kommenden Jahren gemeinsam mit den Ländern aufbauen.

Auch bei Ihnen hier am BFH wird bereits im Echtzeitbetrieb der Einsatz von KI, wie ich höre, erprobt.

So ist es folgerichtig, dass ein fortschrittlicher Gerichtshof wie Ihrer neue Räumlichkeiten erhält, die auch technologisch state of the art sind!

Für Ihren Neubau mit zwei elektronischen Gerichtssälen und einem eigenen Eingang für die Öffentlichkeit haben Sie die internen Planungen abgeschlossen. Jetzt ist die Bundesanstalt für Immobilienaufgaben am Zug, die notwendigen Grundlagen zu schaffen, damit das Bauprojekt auch umgesetzt werden kann.

Einen genauen zeitlichen Ablauf kann ich Ihnen heute noch nicht präsentieren, aber es ist klar: Wir alle wollen, dass diese Gerichtssäle zügig kommen.

Sie wollen das, das BMJV will das und auch die Denkmalpflege hat grünes Licht gegeben, so dass wir optimistisch in die Zukunft blicken.

Meine Damen und Herren, ein letzter Punkt:

Wir arbeiten, wie Sie wissen, an einer Novelle der Verwaltungsgerichtsordnung, die auch Auswirkungen auf die Finanzgerichtsordnung hätte. Denn Änderungen dort, die auch für die Finanzgerichtsordnung sinnvoll sind, sollten übertragen werden.

Bei der Finanzgerichtsordnung führen wir derzeit eine lebhafte Diskussion zum Revisionsrecht.

Wir sind uns einig: Bei zu wenigen Revisionsverfahren kann der Bundesfinanzhof seiner Aufgabe, zu einer einheitlichen Rechtsprechung beizutragen, nicht ausreichend nachkommen. Wie dem sachgerecht begegnet werden kann, dazu führt das BMJV gerade Gespräche und prüft Vorschläge.

Wir sind gespannt auf die Überlegungen, die Sie dazu in Ihren Senaten anstellen!

Meine Damen und Herren,

ganz gleich ob im richterlichen Dienst, in den Geschäftsstellen oder in der Verwaltung - der Bundesfinanzhof leistet seit 75 Jahren für dieses Land eine herausragende und unschätzbar wertvolle Arbeit. Dafür, was Sie hier tagtäglich leisten, danke ich Ihnen im Namen der Bundesjustizministerin und der Bürgerinnen und Bürger dieses Landes sehr.

Herzlichen Glückwunsch zum stolzen Jubiläum und herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!

‒ Es gilt das gesprochene Wort! ‒

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