Sie haben Jura in Regensburg studiert – woran denken Sie noch?
Hubig: Ich denke an die Steinerne Brücke, an den Dom und an den Nebel im ersten Wintersemester: gefühlt von morgens bis abends. Aber ich will schon deutlich sagen: Ich habe sehr gerne in Regensburg studiert, bin gern an die Campus-Uni gegangen, und es war auch kein Nachteil, dass der Kneitinger auf dem Heimweg am Galgenberg günstig lag.
Haben Sie noch Kontakte dahin?
Ja – zu einigen Ehemaligen habe ich noch recht engen Kontakt. Das frühere Lehrstuhl-Team an der Universität hat mir auch zum neuen Amt gratuliert. Ich habe mich sehr gefreut. Übrigens hätte ich gern in Regensburg angefangen zu arbeiten …
… aber dann wurde es Ingolstadt.
Ja, Ingolstadt war eine Überraschung, aber eine gute. Ich habe da sehr gern als Richterin und Staatsanwältin gearbeitet. Weggegangen bin ich eigentlich nur, weil ich einfach mal in einer richtigen Metropole leben wollte. Also bin ich nach Berlin gezogen, das war um die Jahrtausendwende eine besonders spannende Stadt. Obwohl ich es fest vorhatte, bin ich dann nicht mehr in die bayerische Justiz zurückgekehrt, sondern nach Rheinland-Pfalz und später dann in die Politik gegangen.
Erinnern Sie sich an einen Fall?
Wir haben als Jugendschutzkammer vor allem Anklagen wegen Missbrauchs von Kindern und Jugendlichen verhandelt. Jeder einzelne Fall hat mich bewegt. Später als Bildungsministerin habe ich mich darum gekümmert, dass wir Kinder und Jugendliche früher in ihrer Selbstwirksamkeit stärken. Auch das ist Vorsorge, damit sie gar nicht erst Opfer von Missbrauch und Verbrechen werden, und wissen, wo sie Unterstützung bekommen. Kitas und Schulen können dabei viel leisten.
Sind die Fälle heute anders als damals? Im Bereich der Kinderpornografie werden immer wieder riesige Netzwerke aufgedeckt.
Fälle von sexuellem Missbrauch sind immer und heute wie damals furchtbar. Viele Betroffene leiden ein Leben lang. Wir stehen jetzt aber auch vor neuen Herausforderungen. Im Bereich der Kinderpornografie beispielsweise hat die Masse an Bildern deutlich zugenommen – auch durch Künstliche Intelligenz.
Ist für Sie ein durch Künstliche Intelligenz erzeugtes Bild etwas anderes als ein reales?
Es gibt schon einen Unterschied. Hinter einem reinen KI-Bild steckt in der Regel keine Person, die Leid erfahren hat. Ich bin aber der Auffassung, dass auch reine KI-Bilder strafwürdig sind. Denn: Dadurch wird sexueller Missbrauch in gefährlicher Weise normalisiert.
Also würden Sie den Besitz von künstlicher und echter Kinderpornografie nicht strafrechtlich unterschiedlich bewerten?
Wenn es um den Besitz von Kinderpornografie geht, dann behandelt das Strafrecht künstliche und echte Bilder im Wesentlichen gleich – und das ist auch richtig so. Die KI-Entwicklung hat sich extrem beschleunigt. Wir stehen damit auch vor der Herausforderung durch eine Flut von künstlich erzeugten kinderpornografischen Bildern. Dafür brauchen wir klare Sanktionen.
Gestatten Sie, dass wir nach diesem harten Thema noch mal auf Ihre Zeit in Regensburg zurückkommen. Das ist inzwischen eine Stadt wie viele, in der um Wohnungen fast gekämpft wird. Wie leicht war es Ende der Achtziger, eine Studentenbude zu finden?
Es war total schwierig. Die Leute haben vor den Druckereien frühmorgens auf die Auslieferung der Zeitung gewartet, um als erste die neuen Wohnungsanzeigen lesen zu können. Mein erster Mietvertrag wurde zwei Wochen vor dem Einzug von der Vermieterin gekündigt – gegen alle Vorschriften des sozialen Mietrechts. Ich kam dann glücklicherweise erst mal im Besucherzimmer eines Klosters unter, in der Hemauer Straße in Regensburg. Später hatte ich dann meine erste eigene Wohnung. Schön formuliert: Im Souterrain – also im Keller, mit Ausblick in die Tiefgarage. Ich war trotzdem stolz wie Bolle.
Der Mietmarkt ist vielerorts kaputt. Was muss geschehen?
Vor allem in den Ballungsgebieten ist das Mieten zu teuer geworden. Nachhaltig lösen lässt sich das vor allem durch mehr Neubau von Wohnungen. Aber auch das soziale Mietrecht kann einen großen Beitrag leisten. Die Verlängerung der Mietpreisbremse ist eine erste wichtige Maßnahme. Am Donnerstag hat sie der Bundestag beschlossen. Wir werden uns als nächstes um die sogenannte Schonfristzahlung kümmern – so wollen wir Obdachlosigkeit vermeiden: Wer mit der Miete im Rückstand ist, soll die ordentliche Kündigung abwenden können, indem er die Miete nachzahlt. Außerdem werden wir dafür sorgen, dass die Übersicht über die Nebenkosten transparenter wird. Und wir werden uns die Indexmietverträge genauer ansehen: Mieterinnen und Mieter dürfen nicht überfordert werden, wenn die Verbraucherpreise anziehen. Wichtig ist mir, dass beide Seiten zusammen Lösungen finden, Mieter und Vermieter. Dafür richten wir eine Expertengruppe ein: Sie beschäftigt sich zum Beispiel mit der Frage, wie Vermietern ein Bußgeld auferlegt werden kann, wenn sie die Mietpreisbremse umgehen. Das gibt es bisher nicht. So stellen wir die Mietpreisbremse schärfer.
Wohnungen, die möbliert angeboten werden, werden oft zu Wucherpreisen vermietet. Damit wird die Mietpreisbremse umgangen. Darf das so bleiben?
An sich unterliegen möblierte Wohnungen schon jetzt der Mietpreisbremse. Aber viele wissen das gar nicht. Und die rechtlichen Regeln lassen viele Schlupflöcher. Deshalb meinen manche Vermieter, man könne die Mietpreisbremse umgehen, indem man in seine Wohnung zwei Stühle stellt. Wir wollen dieser Masche einen Riegel vorschieben. Ich habe selbst in Berlin eine Wohnung gesucht. Mir wurden teilmöblierte oder teilgewerblich zu nutzende Wohnungen zu extrem hohen Preisen angeboten. Das hat System. Wir werden diese Praxis nicht weiter hinnehmen. Aber: Wenn eine Wohnung zu einem angemessenen Preis real möbliert vermietet wird, dann ist dagegen nichts einzuwenden.
Was bedeutet real möbliert?
Unser Anspruch ist, besser zu regeln, was der Vermieter für seine Möbel verlangen kann. Es macht einfach einen Unterschied, ob Schlafzimmer, Wohnzimmer und Küche so gestaltet sind, dass man da mit einem Koffer einziehen kann oder ob da nur ein Tisch und zwei Stühle stehen.
Die CSU hat im Zusammenhang mit der Flüchtlingsbewegung 2015 von der Herrschaft des Unrechts gesprochen. Ein Berliner Gericht hat unlängst die aktuellen Zurückweisungen als nicht rechtmäßig verworfen. Sie gehen weiter. Herrscht nicht aktuell wieder das Unrecht an den Grenzen?
Ich halte das Gerede von der Herrschaft des Unrechts für grundfalsch und brandgefährlich. Die Entscheidungen von 2015 standen in Einklang mit europäischem Recht: Daran gibt es keine Zweifel. Heute ist die Situation und unsere Grenzpolitik eine andere. Wir haben als Koalition vereinbart, die irreguläre Migration stärker einzudämmen. Zurückweisungen an den Grenzen gibt es schon länger. Was neu ist: Das Bundesinnenministerium hat angeordnet, dass auch Asylsuchende zurückgewiesen werden. Ob das in der heutigen Lage mit europäischem Recht vereinbart ist, ist noch nicht abschließend geklärt. Die Eilentscheidungen des Verwaltungsgerichts Berlin sind nicht unbedingt das letzte Wort. Klar ist aber: Die Bundesregierung hält sich an gerichtliche Vorgaben. Die drei Antragsteller aus Somalia erhalten in Deutschland ein Dublin-Verfahren nach den europäischen Vorgaben.
Wie lange lassen sich diese Kontrollen rechtfertigen?
Bundeskanzler und Bundesinnenminister haben klar gemacht: Die derzeitige Praxis ist keine dauerhafte Lösung. Die jetzigen Zurückweisungen sind mit dem europäischen Recht allenfalls als vorübergehende Ausnahme denkbar. Viele Menschen sind auch schon genervt von den Grenzkontrollen. Wichtig ist deshalb, dass wir mit anderen, dauerhaften Lösungen vorankommen. Das ist insbesondere das neue Gemeinsame Europäische Asylsystem. Es wird dafür sorgen, dass Asylverfahren an der Grenze zügig durchgeführt werden können.
Sie haben sich die Einführung einer Pflichtversicherung gegen Elementarschäden vorgenommen. Bisher finden viele Menschen niemanden, der sie versichern will. Können die darauf bauen, dass sich das ändert?
Das muss sich ändern! Neue und bestehende Wohngebäudeversicherungen sollen grundsätzlich auch eine Elementarschadenabsicherung umfassen. Das Vorhaben ist anspruchsvoll und wir müssen uns dazu mit vielen Beteiligten abstimmen. Aber das ist unser klares Ziel. Die Schadensereignisse sind häufig gewaltig.
Darf man da davon ausgehen, dass der Staat selbst im Falle einer Pflichtversicherung für alle, für Schäden nicht mehr aufkommen wird müssen?
Der Staat hat auch die Aufgabe, Not zu lindern, wo sie nicht anders gelindert werden kann. Das gilt gerade bei großen Naturkatastrophen. Aber wir sehen, dass sich Schäden durch Hagel oder vollgelaufene Keller in Deutschland häufen. Das heißt, es geht darum, vorzusorgen und mögliche Risiken abzusichern. Es kann nicht sein, dass allein in einem hohen Schadensfall sofort nach dem Staat gerufen wird – und sonst heißt es, der Staat solle sich raushalten.